Unsicherheit – Kupplung oder Bremse in der beruflichen Rolle?

Dr. Cristina Barth Frazzetta
Co-Founder, COO & Head Coach Life Orientation & Navigation
Frau im Business-Anzug liegt vorsichtig auf einem Sprungbrett über einem leeren Pool, vor blauem Himmel mit Wolken. Symbolbild für Unsicherheit, mutige Entscheidungen und persönliche Entwicklung im Business-Kontext.
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Unsicherheit – Kupplung oder Bremse in der beruflichen Rolle?

Um es gleich vorab zu sagen:
Ich meine hier nicht die Unsicherheit, die dazu führt, dass du dich zurückziehst, soziale Kontakte meidest oder im schlimmsten Fall komplett blockierst, zum Beispiel in Prüfungssituationen. In solchen Fällen ist es vermutlich am besten, wenn du Kontakt zu einem ärztlichen oder psychologischen Psychotherapeuten aufnimmst, um zu erforschen, wo diese Ängste ihren Ursprung haben und sie dann zu bearbeiten.

Wovon ich sprechen möchte, ist die Unsicherheit, die dich zögern lässt, die dir vielleicht sogar schlaflose Nächte bereitet und derentwegen du dir womöglich auch Rat holst, bevor du weitermachst. 

Unsicherheit ist ein quälendes Gefühl, denn sie erzeugt in uns eine Art Stillstand, während wir gleichzeitig wissen, dass etwas getan werden muss.

Stell dir vor, du stehst auf dem 10-Meter-Brett. Unter dir das Wasser, über dir die Erwartungen – von dir selbst, vom Team, von der Chefetage. Und du weißt: Springen musst du irgendwann. Aber wann? Und wie? Und was, wenn du einen Bauchklatscher machst?

Und das, wo wir doch in unseren beruflichen Rollen eigentlich immer handlungsfähig oder, wie es heute so schön heißt, „decisive“ sein sollen.

Unsicherheit als Management-Tool? Klingt komisch, ist aber so!

Unsicherheit hat einen ausgesprochen schlechten Ruf. Sie gilt als Schwäche, als Bremsklotz, als Gegenteil von Führungsstärke. Dabei kann sie – richtig genutzt – zu deinem besten Werkzeug werden. 

Ja, wirklich! Lass uns mal draufschauen, warum das so ist.

Unsicherheit macht dich aufmerksam

Stell dir vor, du wärst immer sicher. Du würdest jede Entscheidung im Schlaf treffen, nie zweifeln, nie nachfragen. Klingt entspannt, oder? Aber denk mal nach: Wie oft hast du dich schon geärgert, weil du zu schnell entschieden hast und später gemerkt hast, dass du etwas übersehen hast? Unsicherheit zwingt dich, genauer hinzuschauen, Fragen zu stellen, Informationen zu sammeln. Sie ist wie ein inneres Warnsystem, das dich vor vorschnellen Fehltritten schützt.

Unsicherheit fördert Innovation

„Das haben wir schon immer so gemacht“ – dieser Satz ist der Tod jeder Innovation. Wenn du unsicher bist, ob der alte Weg noch der richtige ist, öffnet sich auch ein Fenster für neue Ideen. Du beginnst, Alternativen zu suchen, andere Perspektiven einzubeziehen. Unsicherheit ist der Anfang von Kreativität, weil sie dich aus der Komfortzone schubst. Frage: Wann hast du das letzte Mal etwas wirklich Cooles erreicht, ohne dich vorher ein bisschen unsicher zu fühlen?

Unsicherheit stärkt das Team

Du bist Chef:in, und alle erwarten, dass du immer alles weißt? Das ist ein Mythos! Niemand kann alles wissen. Wenn du deine Unsicherheit zugibst, schaffst du Raum für offene Diskussionen. Dein Team merkt: Hier darf man Fragen stellen, hier darf man zweifeln, hier darf man gemeinsam nach Lösungen suchen. Das fördert Vertrauen und stärkt den Zusammenhalt. Und ganz nebenbei: Vielleicht hat jemand im Team genau die Idee, die euch weiterbringt.

Unsicherheit fördert reflektiertes Handeln

Unsicherheit zwingt dich, innezuhalten und nachzudenken. Du überprüfst deine Annahmen, hinterfragst deine Motive, wägt die Konsequenzen ab. Das macht deine Entscheidungen nachhaltiger und besser durchdacht. Klar, manchmal nervt es, nicht sofort loslegen zu können. Aber ich bin mir sicher, dass auch du schon oft von einer Nacht drüber schlafen profitiert hast, richtig?

Unsicherheit schützt vor Überheblichkeit

Nichts ist gefährlicher als die eigene Unfehlbarkeit. Wenn du glaubst, immer recht zu haben, übersiehst du schnell wichtige Details oder ignorierst Warnsignale. Unsicherheit lässt dich demütig und offen für Feedback sein. Sie erinnert dich daran, dass auch du noch lernen kannst – und das ist eine der wichtigsten Eigenschaften guter Führungskräfte.

Wie du konstruktiv mit Unsicherheit umgehen kannst

Unsicherheit ist kein Feind, sondern ein Verbündeter – wichtig ist nur, dass du weißt, wie du mit ihr umgehen musst. 

Hier ein paar Tipps, wie du sie für dich positiv nutzen kannst:

1. Akzeptiere sie

Der erste Schritt ist, Unsicherheit nicht zu verdrängen oder zu bekämpfen, sondern sie anzunehmen. Sie gehört dazu, vor allem in unseren komplexen, dynamischen Arbeitswelten. Sag dir: „Okay, ich weiß gerade nicht weiter – und das ist in Ordnung.“ Allein das nimmt schon viel Druck raus.

2. Sprich darüber

Teile deine Unsicherheit mit vertrauenswürdigen Kolleg:innen oder Mentor:innen. Oft reicht schon ein Gespräch, um klarer zu sehen. Andere haben vielleicht ähnliche Erfahrungen gemacht oder können dir neue Blickwinkel eröffnen. Und: Du bist nicht allein! Fast jede:r, der Verantwortung trägt, kennt diese Momente.

3. Hol dir Input

Nutze deine Unsicherheit als Anlass, dich zu informieren. Lies dich ein, frage Expert:innen, sammle Daten. Je mehr du weißt, desto fundierter kannst du entscheiden. Allerdings: Pass auf, dass du dich nicht im Informations-Dschungel verlierst – zu viel Detailwissen kann auch wieder hinderlich sein. 

Irgendwann musst du springen – denk an das 10-Meter-Brett!

4. Setze dir Fristen

Unsicherheit kann lähmen, wenn du zu lange in ihr verharrst. Setze dir deshalb klare Fristen: „Bis Freitag sammle ich Infos, dann entscheide ich.“ Das gibt dir Struktur und verhindert, dass du dich im Kreis drehst.

5. Entscheide dich – auch wenn du nicht alles weißt

Perfekte Sicherheit gibt es nie. Irgendwann musst du den Sprung wagen, auch wenn noch Fragen offen sind. Vertraue auf deine Erfahrung, dein Team und deine Fähigkeit, notfalls nachzusteuern. Fehler gehören dazu – sie sind die beste Schule.

Beispiele aus der Praxis

Schauen wir uns mal an, wie Unsicherheit in der Management-Praxis aussehen kann:

Beispiel 1: Die neue Strategie

Du bist Abteilungsleiter:in und sollst eine neue Strategie entwickeln. Die Geschäftsleitung erwartet schnelle Ergebnisse, aber du bist unsicher: Reicht das Budget? Zieht das Team mit? Was sagen die Kunden? Statt einfach drauflos zu planen, sprichst du offen über deine Bedenken, holst Feedback ein, lässt verschiedene Szenarien durchspielen. Das kostet Zeit, aber am Ende steht eine Strategie, die von allen getragen wird – und deshalb auch funktioniert.

Beispiel 2: Personalentscheidungen

Du musst entscheiden, ob du eine neue Mitarbeiter:in einstellst. Der Lebenslauf ist top, aber irgendwas sagt dir: Da stimmt was nicht. Du bist unsicher, sprichst mit Kolleg:innen, führst ein zweites Gespräch, lässt Referenzen prüfen. Am Ende stellst du fest: Dein Bauchgefühl hatte recht. Ohne deine Unsicherheit hättest du vielleicht vorschnell entschieden – und später Probleme bekommen.

Beispiel 3: Krisenmanagement

Plötzlich bricht ein wichtiger Kunde weg. Panik? Nein. 

Du gibst offen zu, dass du nicht sofort eine Lösung hast, sammelst Ideen im Team, prüfst verschiedene Optionen. Gemeinsam findet ihr einen neuen Weg – und wachst als Team noch mehr zusammen.

Unsicherheit als Motor für persönliches Wachstum

Unsicherheit fühlt sich oft unangenehm an. Sie kratzt am Selbstbild, am Anspruch, immer alles im Griff zu haben. Aber gerade das ist ihre Stärke: Sie zwingt dich, dich weiterzuentwickeln, neue Kompetenzen zu erwerben, dich selbst besser kennenzulernen. Sie macht dich menschlicher, empathischer – und letztlich auch erfolgreicher.

Wie du deine Beziehung zur Unsicherheit veränderst

  • Sieh sie als Signal, nicht als Schwäche.
  • Nutze sie als Antrieb, nicht als Bremse.
  • Teile sie, statt sie zu verstecken.
  • Wachse an ihr, statt sie zu fürchten und abzuwehren.

Fazit: Unsicherheit ist die Kupplung, nicht die Bremse

Unsicherheit im Management ist kein Makel, sondern ein Zeichen von Verantwortungsbewusstsein. Sie hält dich beweglich, offen und lernfähig. Sie ist die Kupplung, die dich antreibt und dir hilft, im richtigen Moment einen anderen Gang einzulegen – und manchmal auch davor bewahrt, mit Vollgas in die falsche Richtung zu rasen.

Also: Das nächste Mal, wenn du unsicher bist, atme durch, schau genau hin – und nutze das Gefühl als Chance. Denn oft ist es der Anfang von etwas richtig Gutem.

Und jetzt: Viel Erfolg beim nächsten Sprung vom 10-Meter-Brett!

PS:

Solltest du auf diesem Weg noch weitere Unterstützung suchen, dann schau dir zum Beispiel mal das Programm unserer crimalin Business&Career Impact Jounrney an - oder kontaktiere uns einfach direkt: https://www.crimalin.com/book-a-call

Literatur

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