Die Bedeutung des Blickkontakts im Beruf und im Alltag

Dr. Cristina Barth Frazzetta
Co-Founder & COO
Nahaufnahme von zwei verschiedenen menschlichen Augen, die die Bedeutung des Blickkontakts und die Verbindung über Kulturen hinweg symbolisieren.
Inhaltsverzeichnis:
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Wenn Blicke Leben retten

Vor einiger Zeit habe ich einen Kriegsfilm gesehen, er fesselte mich, weil er auf das Leben zweier junger Soldaten der verfeindeten Länder einging und so bewirkte, dass man für beide Seiten Verständnis entwickelte. In einer Szene begegnen sich die beiden schließlich in einem unübersichtlichen Feld an der Front. Plötzlich stehen sie sich gegenüber, beide mit gezückter Waffe, beide geschult, den Gegner zu töten...

Aber dann sehen sie einander in die Augen und halten inne.

Die Nahaufnahme zeigt abwechselnd die Augen der beiden und ich bin völlig verblüfft, was ich alles lesen kann:

Entschlossenheit und Eiseskälte, aber auch Trauer und Bedauern über alles Erlebte, den Wunsch noch einmal leben zu dürfen und nicht hier sterben zu müssen.

All das geschah in nur 5 Sekunden.

Fünf Sekunden sind allerdings lang für einen Blickkontakt, was zeigt, dass es sich in diesem Fall um ein regelrechtes Gespräch, ja, eine Auseinandersetzung handelte.

Die Szene endet übrigens gut, beide rennen in entgegengesetzter Richtung davon. Der eine von beiden schießt noch, aber in die Luft.

Ihr Blickkontakt hat sie beide für den Moment gerettet.

Die Augen sind die Fenster zur Seele*

Die Bandbreite der an den Augen erkennbaren Regungen erstreckt sich über quasi alle bekannten Emotionen.

Die Veränderungen in unserem Augenausdruck sind zum Teil durch physiologische Vorgänge ausgelöst und entziehen sich unserem willkürlichen Einfluss.

So können zum Beispiel Angst, Stress, Anspannung, Ekel den Sympathikus auf den Plan rufen, der für unsere „Fight or Flight“-Reaktion zuständig ist. Er sorgt dafür, dass unsere Muskeln stärker durchblutet werden, dass unser Herz schneller schlägt, wir keinen Hunger oder Durst empfinden, auch kaum Schmerz fühlen und dass sich unsere Pupillen weiten. Letzteres geschieht, damit sich unser Blickfeld vergrößert und uns in der bedrohlichen Situation nichts entgeht.

Bei der Polizei ist es daher auch längst Usus, Aufzeichnungen von Verhören auf genau diese Signale zu hin zu analysieren, denn bei den meisten Menschen, selbst bei den geübten, löst auch das Lügen Stress aus, so dass ein unwillkürliches Signal von den Augen ausgeht.

Dazu kommt häufig auch ein Flackern der Augenlider, also minimale Zuckungen der Lider, oder ein schnellerer beziehungsweise langsamerer Lidschlag.

Ermittler erhalten auch Hinweise auf Drogenkonsum durch einen Blick in die Augen einer festgenommenen Person. So führen zum Beispiel Kokain und Amphetamine zur sogenannten Mydriasis, also zur deutlichen Erweiterung der Pupillen, auch bei ausreichendem Lichteinfall. Heroin und Opioide führen hingegen zur Miosis, also zur Verengung der Pupillen, auch wenn zu wenig Lichteinfall da ist, was eigentlich die Erweiterung triggern sollte.

Sicher ist dieses Symptom zwar nicht, denn es können auch gesundheitliche Gründe vorliegen, aber es gibt neben psychischen Veränderungen Anlass zu weiteren Untersuchungen.

Nicht umsonst schlagen Menschen manchmal automatisch die Augen nieder, wenn sie verhindern wollen, dass das Gegenüber darin lesen kann. Leider ist allerdings auch das für den geschulten Beobachter bereits ein Zeichen, dass Gesprochenes und Gedachtes nicht übereinstimmen oder dass ein Schweigen nicht Zustimmung, sondern Ablehnung bedeutet.

Liebe auf den ersten Blick

Es gibt sie wirklich, die Liebe auf den ersten Blick - womit jedoch noch nichts über deren Haltbarkeit ausgesagt ist. Sicher ist allerdings, dass ein direkter Blick in die Augen eines anderen Menschen eine starke erotische Anziehung oder auch ein tiefes Gefühl der Verbundenheit auslösen kann.

Später können die beiden Beteiligten oft genau schildern, „was“ sie in diesem Blick gesehen haben.

Dabei werden dann Begriffe wie Intelligenz, Humor, Wärme, Ehrlichkeit, Offenheit, Stärke, Neugier, aber auch Sehnsucht, Traurigkeit und Anlehnungsbedürfnis oder, wie gesagt, die Erotik genannt.

Auch bei diesem „Erkennen“ vergrößern sich häufig unbewusst die Pupillen - in dem Fall ausgelöst durch freudige Erregung – was dem Gegenüber ein starkes Signal im Sinne von „ich empfinde es auch“ sendet.

Wenn Blicke töten könnten

Auch ein Lächeln kann einen eiskalten Ausdruck der Augen nicht verbergen – soll es vielleicht auch gar nicht, vielmehr soll es ihn noch bedrohlicher erscheinen lassen.

Auch Wut, die ins Gefährliche zu kippen droht, flackert unübersehbar in den Augen – übrigens auch mit geweiteten Pupillen wegen des Sympathikus.

In solchen Fällen ist es zwar mitunter möglich, den Kampf mit den Augen auszufechten, indem man mit gleicher Stärke zurück starrt, aber in den allermeisten Fällen ist es dann wohl besser, die eigenen Augen niederzuschlagen und ein Friedensangebot zu machen...

Weniger schlimm ist die Variante „strenger Blick“. Manche von uns kennen diesen vielleicht von den Eltern oder üben ihn hin und wieder selbst als Eltern aus:

Die Situation lässt ein scharfes erzieherisches Wort gerade nicht zu und die Kinder schlagen über die Stränge, ab und zu schauen sie herüber und dann bekommen sie einen Blick zugeworfen, der mehr bewirkt als Worte...

Allerdings kann es auch passieren, dass sie dann untereinander einen „konspirativen Blick“ wechseln, der besagt „Komm, so schlimm wird’s schon nicht“ und einfach weitermachen.

Die Bedeutung des Blickkontakts in der Kommunikation

All das bis jetzt Beschriebene zeigt, wie viel unsere Blicke ausdrücken können und macht deutlich, dass sie ein wichtiger Bestandteil unserer Kommunikation sind.

Sie sind eine Form der nonverbalen Kommunikation, die Menschen verwenden, um viele Emotionen auszudrücken.

Im Gegensatz zu (anderen) Primaten können wir leicht sehen, wohin Menschen schauen, aufgrund unserer weiß umrahmten Iris. Dadurch wissen wir, wohin eine Person den Blick richtet, auch wenn sich ihr Kopf nicht bewegt.

Hier kommen sieben Gründe, weshalb Blickkontakt in der Kommunikation wichtig ist:

  • Verbindung mit anderen

    Forschungen haben gezeigt, dass Blickkontakt das limbische Spiegelsystem aktiviert. Das bedeutet, dass die gleichen Neuronen, die im Gehirn einer Person aktiv sind, auch in deinem Gehirn aktiv werden, wenn du mit ihnen Blickkontakt teilst.
    Wenn ihre Augen also Freude ausdrücken, werden auch auf deiner Seite Neuronen aktiviert, um Freude zu empfinden.
    Dieser Austausch emotionaler Zustände kann dazu beitragen, dass du eine Verbindung zu anderen aufbaust und ganz generell, dass sich das Einfühlungsvermögen zwischen Individuen erhöht.
  • Ehrlichkeit zeigen

    Ein klarer Blickkontakt ist während einer Unterhaltung ein wichtiges Signal für Ehrlichkeit.
    Die Augen sind, wie oben beschrieben, ein zentraler Bestandteil der nonverbalen Kommunikation. Sie zeigen Emotionen, die Worte nicht immer aussprechen. Und Ehrlichkeit kann dazu beitragen, dass zwei Menschen Vertrauen aufbauen.
  • Blickkontakt erhöht die Widerstandsfähigkeit gegenüber Überredung

    Forschungen haben gezeigt, dass direkter Blickkontakt dich widerstandsfähiger gegenüber Überredungs- und Beeinflussungstaktiken machen kann. Der Blick in die Augen des Gegenübers liefert nonverbale Hinweise, die helfen, sich mehr bewusst darüber bewusst zu werden, welche Ziele und Einflussversuche der andere Mensch verfolgt.
  • Verbessertes Verstehen zwischen Menschen

    Auch wenn zwei Personen glauben, dass sie aufmerksam zuhören, passiert es leicht, dass Missverständnisse entstehen. Blickkontakt hilft beiden Seiten, sich mehr auf das Gespräch zu konzentrieren und gleichzeitig zusätzliche Botschaften zu lesen.
    Das kann das Verstehen verbessern. Und besseres Verstehen kann die Kommunikation zwischen zwei Menschen erheblich verbessern.
  • Wertschätzung zeigen und Respekt aufbauen

    Schließlich zeigt und verdient Blickkontakt Wertschätzung und Respekt. Natürlich braucht es mehr als nur Blickkontakt, um Respekt in einer Beziehung zu pflegen, aber er spielt eine wichtige Rolle. Dem Gegenüber in die Augen zu schauen, zeigt, dass es einem wichtig ist.
  • Stärkung des Erinnerungsvermögens

    Blickkontakt trägt dazu bei, sich daran zu erinnern, was gesagt wurde - und zwar beiden Seiten. Wer während eines Gesprächs Blickkontakt hält, kann anschließend mehr Inhalte wiedergeben. Studien zeigen, dass direkter Blickkontakt während 30% einer Interaktion ausreicht, um die Erinnerung der Teilnehmenden signifikant zu steigern.
  • Blickkontakt erzeugt Anziehung

    Studien zeigen, dass wir Menschen attraktiver finden, wenn sie Blickkontakt herstellen. Dies ist nicht nur für persönliche Beziehungen wichtig, sondern spielt auch im beruflichen Umfeld eine Rolle. Kolleg:innen und Führungskräfte bauen eher Beziehungen zu denjenigen auf, die ihnen in die Augen schauen.
    Fehlender Blickkontakt wird hingegen oft als Mangel an Selbstbewusstsein gedeutet.

Blicke als erste Stufe der Kontaktaufnahme

Sowohl im Privatleben als auch in beruflichen Situationen sind Blicke meist die erste Möglichkeit, mit fremden Menschen Kontakt aufzunehmen. Es fällt uns leichter, mit einem Menschen ein Gespräch zu beginnen, wenn wir einander zuvor ungefähr 3 Sekunden klar und offen oder neugierig und freundlich in die Augen geschaut haben.

Viel länger sollte der Blick allerdings auch nicht sein, sonst wird er eventuell als aufdringlich empfunden – andererseits wirkt ein zu schneller und zu plötzlicher Abbruch wie Desinteresse oder gar wie eine Ablehnung.

Blickkontakt erfordert also Gespür und die Fähigkeit die Reaktion des Gegenübers zu deuten.

  • Schaut die andere Person zum Beispiel gleich wieder weg oder streift unseren Blick nur kurz, so deutet das auf Desinteresse an mehr Kontakt hin.
  • Erwidert die andere Person den Blick „schräg“, also leicht seitlich weggedreht und mit minimal angehobenem Kinn, so deutet das auf Skepsis und Vorbehalt oder mindestens Zurückhaltung hin. Aber Vorsicht: So schaut auch eine Person, die nur auf einem Auge gut sehen kann...
  • Wird der Blick bewusst abgewendet oder sogar „weggerissen“, so kann es sich um ein Signal der Ablehnung handeln.
  • Ein unsteter Blick, konstant gesenkte Lider und häufiges Blinzeln deuten häufig auf Unsicherheit hin.
    Aber auch hier ist Vorsicht geboten: Es gibt kulturell unterschiedliche Regeln. Während in Europa und im US-amerikanischen Raum der direkte, offene Blick Aufmerksamkeit symbolisiert, kann er in anderen Ländern sogar als Dominanz oder gar Herausforderung empfunden werden. So gilt zum Beispiel in China und Japan ein längerer Blickkontakt als Zeichen von mangelndem Respekt. Im arabischen Raum wird hingegen mehr Blickkontakt eingefordert – allerdings nur unter Männern!

3 Tipps für den Gebrauch

  • Nimm Blickkontakt auf, bevor du sprichst
    • Blickkontakt sichert dir die Aufmerksamkeit der Zuhörer:innen
    • Er sollte bis zu 3 Sekunden lang und offen sein
    • Die Augen sollten im Anschluss langsam wegwandern
  • Nimm im Laufe des Gesprächs immer wieder Blickkontakt auf
    • Wiederholter Blickkontakt hält die Verbindung und schafft Vertrauen
    • Während einer Rede oder Präsentation solltest du mindestens 50%, besser noch 70% im Blickkontakt mit deinem Publikum sein
    • Menschen sind interessierter und fühlen sich eingebunden, wenn sie angeschaut werden. Sie merken sich außerdem die Inhalte besser
  • Vermeide Starren, zu schnellen Wechsel zwischen hin- und wegschauen und zu seltenes oder zu häufiges Blinzeln
    • Ein Blick in die Augen einer anderen Person, der länger als 4 Sekunden dauert, kann als unangenehm und zwingend empfunden werden. Es gilt darauf zu achten, ob der Blick „freiwillig“ erwidert wird.
    • „Starren“, also ein längerer Blickkontakt mit wenig Lidschlag, kann sogar als Aggression oder Provokation aufgefasst werden
    • Ein zu schnelles hin- und herbewegen der Augen und zu viel Blinzeln wird vom Gegenüber meist als Nervosität oder Unsicherheit wahrgenommen  

Fazit

Blicke und Blickkontakt sprechen, unabhängig von Mimik, Gesten und Worten, eine eigene Sprache. Sie sind ein wichtiger Schlüssel zum Aufbau von Beziehungen in allen unseren Lebensbereichen. Es ist daher wichtig, dass wir sie bewusst und mit Bedacht – aber natürlich auch spontan – einsetzen. Es ist durchaus sinnvoll, dies zu üben und sich bei vertrauten Personen Feedback dazu zu holen.

In unseren crimalin Coachings erhältst auch Feedback zu deiner Wirkung und deiner Präsenz.  Du kannst das Thema dort auch direkt einbringen und so zu einem Bestandteil deiner persönlichen Transformation machen.

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*Hildegard von Bingen, (1098 - 1179, deutsche Mystikerin, Äbtissin und Naturwissenschaftlerin)

Literatur

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