Dr. Cristina Barth Frazzetta
Co-Founder & COO
Vor einigen Tagen kam eine Managerin mit der Frage zu mir ins Coaching, was sie tun könne, um die Position, die ihr zunächst interimsmäßig übertragen wurde, auch langfristig zu bekommen.
Es handelt sich dabei um eine Management-Team-Rolle, eine Global-Head-Funktion mit direkter Anbindung an das Board eines internationalen Konzerns.
Ein toller Karriereschritt also und sie möchte deshalb alles richtig machen.
Es nützt nichts, auf der Autobahn schnell zu fahren, wenn die Richtung nicht stimmt!
Ich hatte jedoch den Eindruck, dass sie irgendwie erschöpft ist und sagte ihr deshalb, dass noch nicht direkt auf die Suche nach Ideen zu „Wie sorge ich dafür, dass ich diese Position langfristig behalte?“ eingehen, sondern erst noch einen kleinen Umweg machen sollten.
Sicher errätst du aufgrund der Überschrift schon, was ich als dann gemacht habe?
Ja, ich habe gefragt: „Willst du diese Position eigentlich wirklich?“
Da sich an meine Frage ein langes Zögern anschloss, wurde Lisa (das ist nicht ihr richtiger Name) bewusst, dass sie diese offenbar nicht mit einem klaren Ja beantworten konnte.
Lisa war bei ihrem ersten Arbeitgeber schon sehr früh als Super-Talent erkannt worden und hatte somit sehr jung Aufgaben angeboten bekommen, die für sie zwar große Herausforderungen darstellten, die aber auch tolle Chancen zur Weiterentwicklung boten.
Lisa ist neugierig, stark aufgabenorientiert und zugleich empathisch und bescheiden. Sie entwickelte einen Führungsstil, der sowohl fordernd als auch stark fördernd für ihre Teams war, so dass sie sowohl gute Resultate für das Business als auch für die Mitarbeiter-Entwicklung lieferte. Das rückte sie noch mehr in den Fokus von Vorgesetzten und HR-Verantwortlichen bei der Besetzung neuer Stellen.
Lisa blieb ihrem ersten Arbeitgeber übrigens lange treu, weil sie sich, entsprechend ihrer Grundhaltung mit der Vision, dem Produkt und der Strategie identifizierte.
Als sie schließlich, aufgrund eines privat bedingten Umzugs auf einen vom Headquarter weit entfernten Kontinent, kündigte, wollte man sie nur ungern gehen lassen und stattete sie mit besten Referenzen und guten Wünschen aus.
Im neuen Unternehmen, das schnell bei ihr anklopfte, ging es dann ebenso rasant weiter.
Wieso also kann Lisa nicht, ohne zu zweifeln, Ja sagen?
Ganz einfach: Es ging zu schnell. Sie hat immer großartige Angebote bekommen, die auszuschlagen geradezu verrückt gewesen wäre. Außerdem gelang ihr die Bewältigung jeder neuen Aufgabe jedes Mal schon nach kurzer Zeit. Nicht nur, weil sie hohen Einsatz fuhr, sondern auch weil es ihr relativ leicht fiel, Neues zu verstehen.
Sie bekam also viel Anerkennung. Außerdem war sie auch noch ausgesprochen beliebt – es entstanden bei jedem Wechsel schnell neue freundschaftliche Bindungen, die ihr guttaten.
Aber noch einmal: All das ging eben zu schnell.
Lisa hatte gar keine Zeit und scheinbar auch gar keinen Grund, sich zu fragen: „Will ich das denn wirklich?“ „Passt das zu mir und zu meinem Leben?“ „Ist das mein Traum oder helfe ich womöglich nur anderen, ihren zu erfüllen?“
Und genau das haben wir dann getan.
Lisa war sehr betroffen von der Erkenntnis, dass sie nicht so sehr aufgrund ihrer hohen Einsatzbereitschaft erschöpft ist, dass dies vor allem daran lag, dass sie Angebote angenommen hatte ohne eine eigene Wahl zu treffen und dass sie das leise Stimmchen, das sie zum Innehalten aufrief, immer wieder unterdrückt hatte.
Genau diese Betroffenheit ist aber richtig gut, denn sie öffnet innere Türen und weitet den Blick auf andere Möglichkeiten.
Lisa klärte zunächst mithilfe eines spannenden kleinen Tools ihre wichtigsten Leitwerte und wir verglichen diese mit der Unternehmenskultur, dem Führungsstil, dem Umgang mit Kunden und mit der Art der Produkte und Dienstleistungen, die das Unternehmen anbietet.
In allen diesen Bereichen konnte Lisa sich wiederfinden – das war also schon mal ein großer Pluspunkt.
Ich lud Lisa deshalb zu einer kleinen Phantasiereise ein, bei der sie ihren Traum-Job und ihre Traumlebenssituation visualisieren konnte.
Beim Vergleich dieser Bilder mit ihrer realen beruflichen Situation stellte sich schnell heraus, dass hier eine wichtige Diskrepanz bestand:
Lisa war vor zwei Jahren Mutter geworden, sie hatte also eine ganz neue Lebenssituation im privaten Bereich. Zwar übernahm ihr Partner, Sport-Lehrer an einem Gymnasium, die Betreuung des kleinen Sohnes und die Organisation des häuslichen Lebens – er hatte dafür sogar seine Stundenzahl reduziert -, aber, obwohl alles glatt lief, belastete es sie, so wenig Familienzeit zu haben. Zudem erforderte die neue Global-Position monatliche Fernreisen von bis zu 10 Tagen.
Inhaltlich macht der Job Spaß, sie liebt neue Herausforderungen, sie liebt es auf einem Level angesiedelt zu sein, bei dem sie strategisch-ganzheitlich mitarbeiten kann und doch entsteht eine Dysbalance mit einem anderen, mindestens ebenso erfüllenden Lebensbereich.
Muss sie also den Job hinschmeißen?
Natürlich nicht. Wenn Lisa das täte, würde sie das Unternehmen mit dem Gefühl verlassen, versagt zu haben.
Außerdem würde ihr im nächsten Job sicherlich Ähnliches widerfahren.
Oft ist das Falsche nämlich nicht der Job an sich, sondern die Art wie wir uns in ihm positionieren (oder auch nicht) und wie wir ihn erfüllen (oder übererfüllen).
Je größer die Verantwortung in deiner Position wird desto größer wird auch deine Verantwortung, für dich selbst zu sorgen.
Das hat zwei Gründe:
Es gilt also nicht nur das Business selbst, sondern auch, wie im Fall von Lisa, die Anforderungen eines Jobs mitzugestalten. In anderen Fällen kann das bedeuten auf die Führungskultur Einfluss zu nehmen oder Nachhaltigkeitsthemen zu adressieren und so weiter.
Das erfordert natürlich erst einmal Mut, aber je früher du damit beginnst, desto schneller wirst du erkennen, dass du häufig auf offene Ohren stößt und dass es zur Verbesserung deiner Arbeitssituation und damit deiner Leistung führt. Und nicht nur zu deiner, sondern auch der deiner Peers und Mitarbeiter.
Ein für beide Seiten zufriedenstellendes „Abkommen“ zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer führt zu mehr Motivation bei letzterem und zu einem besseren Output für ersteren.
Trau dich also, auch Grenzen zu setzen und Verbesserungsvorschläge zu machen, denn, wenn du das Gefühl hast, etwas läuft falsch, wirst du sicher nicht die oder der einzige sein. Und du hast die Stelle bekommen, weil man genau dich da haben will und weil man dich als Führungskraft und nicht als Erfüllungsgehilfe sieht. Führung beginnt mit Selbstführung und bedeutet immer Mitgestaltung.
Lisa wird jetzt erst einmal bis zum Ende der Interimszeit ihren Job in gewohnter Weise gut erfüllen, wird ein gutes Stakeholder-Management betreiben, ein bisschen mehr für ihre Sichtbarkeit tun und hie und da auch bereits Grenzen setzen.
Sie wird parallel einen Katalog mit ihren Änderungswünschen (und für sich auch mit möglichen Kompromissen) anhand ihres Traum-Job-Bildes zusammenstellen. Sie wird jeweils dazu Lösungs-Ideen entwickeln, um dann, wenn es um die endgültige Vergabe der Position geht, im Bewusstsein, dass man sie haben will mit Vorgesetzten und HR in einen Verhandlungs-Dialog zu treten.
Sollte dieser zu keinem befriedigenden Ergebnis für sie führen, kann sie immer noch einen Wechsel vollziehen. Deshalb wird sie ab jetzt auch gleichzeitig die Augen offenhalten und Gespräche führen, wenn sie – wie es schon oft vorkam – angesprochen wird. So bekommt sie einen Eindruck von anderen Optionen und wird gestärkt für die interne Verhandlung
Sollte dieser Wechsel notwendig werden, wüsste sie dann aber, dass sie alles getan hat, um Einfluss zu nehmen, dass jedoch in diesem System ihr Lebenstraum nicht machbar ist.
Wenn Du das Gefühl hast, womöglich das Falsche zu tun, dann geh folgendermaßen vor
Oft ist es schwierig, diese Schritte allein zu gehen, die inneren Begrenzungen zu erkennen und aus alten Mustern auszusteigen. Bei crimalin bieten wir deshalb die spannende „Life Orientation & Navigation Journey“ an. Sie hilft dir, deinen Kompass zu justieren und deinen eigenen richtigen Weg zu finden.
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